Wie schön wäre das denn?
Schon fast ganz Routine war beim zweiten Durchgang die Nutzung der elektronischen Abstimmung und deutlich wird die Zeitersparnis, was das Digitale ja immer verspricht, aber nicht unbedingt immer hält. In dem Fall aber doch.
Die BVV tagte am 20. Februar, hier ist wie immer ein Überblick auf der Webseite der linken Bezirksfraktion zu finden, Andreas Böttger hat sich wieder als Meister der gut sortierten Information bewiesen. Die Besucher*innenstühle waren vollständig besetzt und viele Gäste harrten so lange aus, bis der sie umtreibende Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde. Dazu später. Denn der Beginn der BVV stand unter dem Zeichen der Ereignisse in Hanau. Berührende Worte, eine Schweigeminute und nein, man ging dann irgendwie nicht einfach zur Tagesordnung über. Oder doch, denn es muss ja sein, aber spürbar war, dass Hanau sozusagen im Raum steht. Zumal als dann eine Große Anfrage der AfD zu den Einbürgerungen im Bezirk beantwortet werden musste.Einbürgerung, das ist für viele Menschen, die Zuflucht in Deutschland oder aus weniger tragischen Gründen Deutschland als ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, ein wunderbares Ereignis. Sie bekommen die deutsche Staatsbürger*innenschaft, was ihnen von da an ermöglicht, in jeder Form – auch bei Wahlen – teilzuhaben an der Gestaltung der Gesellschaft. Im Jahr 2018 erhielten in Berlin 6500 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft auf diesem Weg. Ein guter Moment, den die Stadträtin des Bezirks Mitte, Ramona Reiser (Linke) für die Neubürger*innen mit einer Willkommens-Zeremonie gestaltet. Ein Ort, ein Tag, an dem die Menschen, die eingebürgert werden, viel über sich und ihren Lebensweg erzählen. Berührend immer. So erzählte es die Stadträtin.
Der AfD ging es aber gewiss nicht darum, als sie vor allem wissen wollte, wie viele der eingebürgerten Menschen Sozialleistungen beziehen. Die Antworten auf die insgesamt elf Fragen beinhalteten im Übrigen Informationen, die samt und sonders öffentlich zugänglich sind, also auch anderweitig erworben werden können. Aber darum ging es nicht. Es ging um „Einbürgerungen trotz Bezugs sozialer Leistungen“. Und das zwei Tage nach Hanau, zwei Tage, nachdem ein Mann – nicht wahllos, sondern gezielt – Menschen ermordete, die aus seiner Sicht und Gesinnung nicht in Deutschland sein und leben sollten. Es wäre ganz sicher ausreichend Zeit gewesen, die Anfrage zurückzuziehen. Aber vielleicht auch gut, dass es nicht getan wurde. Rechte Ansichten verschwinden ja nicht, nur weil sie nicht öffentlich ausgesprochen werden.
Gut, dass am gleichen Tag in der gleichen BVV ein Antrag der Linksfraktion aufgerufen wurde, der vorschlug, künftig Einbürgerungsveranstaltungen größer und noch schöner zu gestalten, ein Fest aus ihnen zu machen, wie es der Bezirk Pankow tut. Der Antrag ging in den Ausschuss, aber er fand Zustimmung. Und ja, vielleicht feiern wir bald in größerem Rahmen gemeinsam die neuen Nachbarinnen und Nachbarn. Es wäre ein Signal mit großem Nachhall und schönem Ton.
In gewisser Weise passt dazu die Diskussion, die geführt werden musste, nachdem es wenige Tage zuvor am Leopoldplatz gebrannt hatte und bei dem Brand das Dach des sogenannten „Trinkertreffs“ zerstört wurde. Ein technischer Defekt ist inzwischen ausgeschlossen. Es hat viel Mühe und Debatten und gemeinsame Anstrengungen gegeben, um diesen Treffpunkt zu erhalten und die Menschen, die ihn nutzen, auch durch Sozialarbeit zu unterstützen, wie man hier lesen kann. Das Bezirksamt hatte schon lange zuvor entschieden, den Menschen zu helfen, anstatt sie zu verjagen und dafür auch Geld bereitzustellen. Das findet nicht den Gefallen aller, was nicht verwerflich ist, denn solche Angelegenheiten werden immer kontrovers diskutiert und brauchen viel Arbeit und Moderation, um tragfähige Kompromisse zu finden. Umso schlimmer, wenn sich herausstellen sollte, dass die Überdachung nicht mal so von ungefähr abgebrannt ist. Ausgrenzung hat ja viele Gesichter. Keines davon ist schön.
Dann ging es um eine großflächige Werbetafel, die Bewohner*innen eines Hauses in der Torstraße sozusagen im Wortsinn das Licht raubt und trotz aller Bemühungen des Bezirksamtes immer wieder neu aufgehängt wird. Viele, die zu dem Zeitpunkt noch immer als Gäste der BVV zuhörten, standen nun auf, um ihren berechtigten Unmut mit Protestschildern zu unterstreichen. Tatsächlich passte dazu auch ein Antrag der grünen Fraktion, Werbung an bewohnten Wohnhäusern zu untersagen. Stadtrat Gothe erklärte das laufende Verfahren gegen die genannte Werbetafel und die Schwierigkeiten, wenn der Eigentümer der Anordnung, sie abzumontieren, nicht nachkommt. Ersatzvornahme ist möglich, dauert aber. Was für die, die im Dunkeln wohnen, nicht allzu beruhigend ist. Vielleicht sollte Berlin doch weitestgehend werbefrei werden. Ein entsprechendes Volksbegehren läuft.
Kathrin Gerlof Mitarbeiterin Carola Bluhm
Guter Film
Für den 10. Februar war eine etwas andere Abendvorstellung im Kino International an der Karl-Marx-Allee (KMA) angekündigt. Und der Saal wurde ziemlich voll. Rund 500 Menschen, die meisten Anwohner*innen der KMA II (II steht für 2. Bauabschnitt, das sind jene 800 Meter Allee zwischen Alexanderplatz und Strausberger Platz) waren gekommen, um sich anzuhören, wie die Planungen für den Mittelstreifen sein werden, der nun bald – nachdem die breite Straße komplett erneuert wurde – fertiggestellt werden kann. Parkplätze oder Grün, darauf lief und läuft die Kontroverse hinaus. Denn ursprünglich und mit Beteiligung der Anwohner*innen gab es 2014 eine dünne, aber Mehrheit, die sich für Parkplätze aussprach. Das war vor den heißen Sommern, die uns in den vergangenen zwei Jahren gezeigt haben, was Stadt auch sein kann: Eine Hitzefalle – nicht ausreichend gerüstet für Temperaturen über 35 Grad, lange Trockenperioden und Starkregenereignisse. Inzwischen ist viel passiert. Nicht nur in Berlin. Überall auf der Welt, erklärte die Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther, rüsten sich Metropolen für den Klimawandel. Was heißt: Es wird um- und neugedacht. Und was vor wenigen Jahren noch in Ordnung schien, kann es heute schon nicht mehr sein.
Der Tagesspiegel titulierte die Veranstaltung im Kino denn auch als politisches Lehrstück, als eine Diskussion unterm Brennglas. Dem ist zuzustimmen. Vorausgegangen war der Veranstaltung der Ärger vieler Bürger*innen, die sich bei der Abweisung einer einst getroffenen Entscheidung und Verkündung einer neuen Entscheidung übergangen fühlten.
So betrachtet wurden am 10. Februar zwei Problemfelder verhandelt:
Wie geht man mit Bürger*innenbeteiligung um und wie ist sie – wenn sich die Bedingungen ändern und Entscheidungen überdacht werden müssen – zu gestalten?
Was alles muss jetzt und sofort und an allen Orten in der Stadt getan werden, um für den Klimawandel, der nicht mehr aufzuhalten ist, gerüstet zu sein?
Seit Januar 2018 wird die KMA II gebaut. Sie war einst entworfen für die sogenannte „autogerechte“ Stadt und für die Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung des Staates DDR. Aufmarschmeile, Flaniermeile, Automeile, Prachtmeile, Moderne, Antlitz des real existierenden Sozialismus, Verkündung des neuen Menschen – die Karl-Marx-Allee verkörperte vieles und das ist so geblieben. Denn zu den Auseinandersetzungen um die 800 Meter gehört auch der Wunsch, der einst geteilten Stadt ein gemeinsames Weltkulturerbe(Hansaviertel in Tiergarten und KMA II in Mitte) zu ermöglichen – was Identifikation stiftet und Verantwortung beinhaltet und natürlich Möglichkeiten eröffnet, sich seiner Geschichte in all ihrer Differenziertheit zu stellen.
Einst war die KMA II also mit sechs Autospuren bedacht und in der Mitte gab es einen breiten Parkstreifen. Nun wird es nur noch vier Autospuren geben, vier Meter breite Radwege auf beiden Seiten, 1,50 Meter breite Sicherheitsstreifen, die Fußwege bleiben in all ihrer Üppigkeit 17 Meter breit und auf dem zehn Meter breiten Mittelstreifen sollen die 170 Parkplätze wegfallen, stattdessen soll es Grün geben. Wenn möglich, kein totes Grün, das Kunstrasen ähnelt, und wenn möglich, Grün, das ausreichend Pflege bekommt. Daran muss sich dann Politik messen lassen, denn gegenwärtig fehlt es in der Grünpflege an allen Ecken und Enden an Personal.
Zum Hintergrund ist noch Folgendes wichtig: Durch die Karl-Marx-Allee fahren im Schnitt täglich 30.000 Autos. Im Quartier KMA II gibt es 4720 Wohnungen, leben 8500 Menschen für die insgesamt 3536 Parkplätze zur Verfügung stehen. Auf zehn Wohnungen kommen also sieben Parkplätze, wie Stadtrat Ephraim Gothe den Bürger*innen erklärte. Damit gehört dieses Quartier zu den berlinweit best- bzw. überausgestatteten Quartieren, was Parkplätze anbelangt. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn 167 Parkplätze wegfallen. Wichtig sei aber – so Senatorin und Stadtrat –, dass vor allem für Menschen mit Behinderung und körperlichen Einschränkungen Möglichkeiten vorgehalten werden, nahe ihrer Wohnung das dringend benötigte Auto abstellen zu können.
Die Zukunft – auch Berlins – hängt ansonsten davon ab, dass der Autoverkehr weniger wird, stattdessen mehr Menschen auf Rad und öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Autogerechte Stadt käme heute Selbstmord gleich – klimatisch, aber auch, wie wir von den vielen Verkehrstoten in unserer Stadt wissen, was die Sicherheit und den Schutz der Menschen anbelangt. Parken auf dem Mittelstreifen einer breiten Straße ist eine Gefahrenquelle an sich. Da muss man nicht mal den Klimawandel bemühen, um das in heutigen Zeiten anzuerkennen und Stadtplanung entsprechend anders zu gestalten.
Senatorin Günther hatte zu der Veranstaltung viel Expertise geladen und die kam ausreichend zu Wort: Landesdenkmalamt, Staatssekretär Gerry Woop aus dem Kultursenat, der Leiter der Tiefbauabteilung, Landschaftsarchitekten und -planer.
Hätte es einen Beifallsmesser gegeben, wäre wahrscheinlich rausgekommen, dass die Ausführungen der Klima-Senatorin zu der Frage, wie sich Berlin wird rüsten und vorbereiten müssen, auf das, was bereits Wirklichkeit ist, den größeren Zuspruch fanden. Und als die Diskussion mit den Anwesenden eröffnet war, schien sich das zu bestätigen, denn es gab niemanden, der oder die erklärte, er oder sie sei für mehr Parkplätze und Grün stünde da an zweiter Stelle. Kontrovers ging es eher beim Thema Mitsprache, Beteiligung, rechtzeitige Information, Verwaltungshandeln zu. Gut moderiert übrigens und die Menschen vorn auf dem Podium gingen auf alle Fragen und auch Anwürfe ein, was nicht heißt, dass alle Fragen beantwortet werden konnten.
Manche hatten bereits im Vorfeld gespottet, dass ein Grünstreifen mehr das Klima nicht gerettet würde. Das stimmt und ist zugleich grauslig falsch. Denn es ließe sich noch bei jeder Maßnahme erklären, dass dies allein keine Rettung ermöglicht, und am Ende könnte das darauf hinauslaufen, gar nichts zu tun.
Richtig ist aber: Die KMA II ist nur ein kleiner Teil der Stadt. Und wenn es was bringen soll, einen Grünstreifen anstatt Parkplätze zu bauen, dann braucht es dafür ein Gesamtkonzept – sowohl für Grün als auch für Verkehr. Beides getrennt zu denken, war viel zu lange üblich und unumstritten.
Zu sagen ist aber auch: Dass in Berlin an einem stürmischen Abend, an dem der Wetterdienst eher empfohlen hatte, zu Hause zu bleiben, 500 Menschen zu einer Bürger*innenveranstaltung kommen, das ist ermutigend und großartig. Denn nichts ist schlimmer, als Desinteresse oder Resignation.
Kathrin Gerlof – Mitarbeiterin Carola Bluhm
Die Blumen werfen
Burkhard Dregger, der Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin, versteht nicht, weshalb die Vorgänge in Thüringen für Aufregung sorgen. Hört man im Radio. Das kann man ihm abnehmen. Es ist Teil des Problems. Ist es die einzige Perspektive? Unter allen Umständen und mit allen Mitteln eine sozialdemokratische, eine grüne, eine Regierung unter der Beteiligung der LINKEN verhindern? Dreht sich alles nur darum, muss man über Sachpolitik nicht mehr reden. Kann mit niemandem reden, der die schlichte Hauptdirektive nicht teilt. Nicht einmal ein (Regierungs-)Programm, ein Kabinett oder eine Aussicht auf Koalitionspartner muss man vorweisen. Noch, daran im Vorlauf seriös gearbeitet haben.
Wie geschehen in Thüringen. Parlament zwischen Casino und Sitz, Stimme, Abhängigkeit von Faschisten. Schläfrig-bräsig reingetaumelt. Aber DIE LINKE, die Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Welsow wirft die Blumen. Danke dafür. Keine Sekunde zu spät. Bevor wir es alle am Grab der Demokratie tun müssen.
Im Zweifelsfall raunt man von Expertenregierung. Es gab einmal eine Verteidigungsministerin von der Leyen. Die übergab solche Arbeitsverweigerung an allerlei Consultingfirmen. Die verwaltete Expertenregierung. Viel Mischmasch zwischen steuerfinanzierter Unternehmensberatung, Inhouse und schlichter Durchlässigkeit zu Lobby-Agenturen privatwirtschaftlicher Interessen. Handydaten gelöscht.
Das ist, was man auch im Abgeordnetenhaus von Berlin erleben kann. Eine Opposition die sich in der parlamentarischen Arbeit vor allem immer die Frage nach der Hauptdirektive stellt: Verhindert es RRG? Wer und was macht dabei mit?!! Mehr muss nicht. Was immer es an Grundlagen zertrümmert, auf denen das Gemeinwesen alltäglich organisiert werden muss.
Wen wundert, landet mal die CDU, mal die FDP auf so schlichter Basis in den Ränkespielen der AfD. Operation Open Arms. Oder als Kläger vor Gericht. Es liegt keine konstruktive Opposition vor, die man beklagen könnte. Gerichtet an ein Gericht. Es ist nicht strafbar, keine Verantwortung für gar nichts zu übernehmen. Nur schlechte Politik, die schlimme Folgen hat. Will man das Nichtstun vor Gericht bestätigt sehen? Selbstverständlich. Meist nicht strafbar. Oft kein Gesetzesverstoß. Nur eine politische Katastrophe. Und als solche zu beklagen. Parlamentarische Demokratie bedeutet nicht einfach, solange Recht zu bekommen, bis es für eine gerechte Lösung zu spät ist. Und verweigert man sich im Parlament, sind öffentlicher Diskurs und gesellschaftliche Diskussion selbstverständlich nur Lagerwahlkampf und das schlaueste Social-Media-Marketing. Bis einfach alles nur noch wie gelogen klingt.
Was der Mietendeckel meint, kann selbstverständlich kein Gericht abschließend regeln. Wie immer Urteile lauten werden. Es wird bleiben, dass bezahlbarer Wohnraum, dass Grundrecht auf Wohnen, Verfassungsauftrag der parlamentarischen Vertretungen ist. Da beißt die politische Maus dem roten Faden Daseinsvorsorge nichts ab. Das ist Aufgabe der Politik.
Deshalb zur Sache:
Mietendeckel finden um die 70% im Land gut. Sagt eine Umfrage. Ziemlicher Klops Weltpolitik für das Landesparlament im Dorf Berlin. Sicher nicht abschließend an Gerichte delegierbar. Mindestens Bundespolitik. Die in der Umfrage ausgedrückte Hoffnung zunächst einmal weder links noch rechts. Eine klarsichtige Ansage der Bürgerinnen und Bürger, was Politik regeln, ordnen können soll.
Sehr hilfreich, um Politik, Politikerinnen und Politiker zu beurteilen, die in der Sache in Funktion beschäftigt werden sollen und wollen, ist eine Dokumentation die der öffentlich-rechtliche Sender ARTE in seiner Mediathek bereitstellt. Push- Für das Grundrecht auf Wohnen Hier erfährt man etwas über den Handlungsrahmen, in dem sich im Zweifelsfall jede Bezirks- Kommunal- Politikerin und jeder Politiker bewegen muss. Das ist auf dieser Ebene eine Aufgabe, ein Mandat, an dem man verzweifeln könnte. Aber natürlich nicht verzweifeln darf. Es braucht eine redlich informierte Öffentlichkeit, Bürgerinnen und Bürger, Wählerinnen und Wähler, eine Gesellschaft, die Realität zur Grundlage nehmen will. Die Politik, wie Politikerinnen und Politiker, auf solcher Basis beurteilt. Jenseits von Verschwörungstheorien und einer Agenda, der es reicht, kann sie eine sozialdemokratische, grüne eine Regierung mit der Beteiligung der LINKEN verhindern.
Rico Prauss Mitarbeiter Carola Bluhm
Der Mietendeckel kommt
lautete der Titel der Veranstaltung am 21. Januar in der Glaskiste auf dem Areal der ehemaligen Produktionsstätte der berühmten Rotaprint Offset-Druckmaschinen – dem heutigen Ex-Rotaprint.
Eingeladen hatte die Linksfraktion in der BVV-Mitte. Bausenatorin Katrin Lompscher, Bezirks-Stadträtin Ramona Reiser, Bezirksverordnete Katharina Mayer und das Mitglied im Abgeordnetenhaus Tobias Schulze beantworteten die Fragen derer, die gekommen waren. Zahlreich und interessiert. Einen Tag später nahm der Mietendeckel seine vorletzte Hürde im Stadtentwicklungs– sowie dem Hauptausschuss. Und jetzt am Donnerstag, dem 30. Januar, wird das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung seine letzte Hürde im Plenum des Abgeordnetenhauses von Berlin nehmen.
Während sich manche Presseveröffentlichung bemüht, den Erfolg in eine Niederlage zu wenden, richtete sich Tobias Schulze im Verlauf der Diskussion an die Anwesenden: „Ich muss das Publikum hier mal loben. Sie stellen heute Abend wirklich alle kritischen Fragen die man zum Mietendeckel stellen kann und muss.“ Denn eines kann das Gesetz mit dem umständlichen Namen nicht: Mieterinnen und Mietern die Überprüfung abnehmen, ob sich Vermieterin oder der Vermieter nach der Verabschiedung des Mietendeckels an die Obergrenzen hält.
Auch wenn es ratsam wäre, sie prüften ihre aktuellen Mietforderungen von sich aus. Drohen doch bei Verstoß bis zu 500.000 Euro Bußgeld. Die Behörden sind darauf angewiesen, dass ihnen die Ordnungswidrigkeit von Betroffenen zur Kenntnis gebracht wird, so sie vorliegt. „Ich habe mich da belehren lassen“ sagt Bausenatorin Katrin Lompscher, „es gibt keine gesetzliche Möglichkeit, die Richtung umzudrehen und eine Verwaltung damit zu beauftragen, von sich aus die Einhaltung jeweils konkret und im Einzelfall zu überprüfen. Es wird also die wehrhaften Mieter geben müssen, die den Behörden Verstöße zur Anzeige bringen damit die tätig werden können.“ Dafür wird es in der Zuständigkeit des Landes eine Verwaltungseinrichtung geben die noch aufgebaut werden muss. „Ich gehe davon aus das die Verfolgung der Verstöße nicht mit weniger als einhundert Personalstellen zu bewerkstelligen sein wird“, so Katrin Lompscher.
Da dies voraussichtlich zu einem erhöhten Beratungsbedarf führen wird, „haben wir auch für das Rathaus Mitte im Blick, die Kapazitäten für die Mietenberatung im Bezirksamt auszuweiten“, so die Bezirksstadträtin Ramona Reiser.
Nicht anders als schon vorher, wenn Mieterinnen und Mieter Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Mietvertrag oder Miethöhe hegen, hilft es, Mitglied in einem MieterInnenverein zu sein, eine Rechtsschutzversicherung zu haben, oder sich an Vereine und Organisationen zu wenden, die kostenlose Mietenberatungen anbieten, wenn zusätzliche Kosten nicht gestemmt werden können. „Und DIE LINKE bietet in Parteibüros und in Bürgerbüros der Abgeordneten der Linksfraktion regelmäßig kostenlose Sozial- und Mietenberatungen an“, ergänzt die Bezirksverordnete Katharina Mayer. Die jeweils aktuellen Termine im Bürgerbüro von Carola Bluhm, Katrin Seidel und Udo Wolf findet man hier. Die an weiteren Orten der LINKEN stehen hier.
Zusätzlich steht für Fragen die Webseite der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zur Verfügung. Hier findet man auch eine E-Mailadresse, über die man Fragen zum Mietendeckel stellen kann.
Rico Prauss – Mitarbeiter von Carola Bluhm
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Die Zukunft winkt ein bisschen
Manchmal ist es doch so, dass der Einzug der digitalen Technik Zeit spart und zugleich für mehr Transparenz sorgt. Zumindest scheint die erste BVV im neuen Jahr einen vorläufigen Beweis erbracht zu haben. Zum ersten Mal nutzten die Bezirksverordneten ihre nagelneuen elektronischen Abstimmungsgeräte. Die sehen aus, wie eine einfache Fernbedienung, mit deren Hilfe man Ja, Nein, Enthaltung signalisieren kann. Das Ergebnis der Abstimmung erscheint gut les- und sichtbar auf der großen Wand hinter dem Präsidium der BVV. Es geht schnell, was dazu führte, dass die Tagung an jenem Abend bereits um kurz nach neun Uhr beendet war. Ein durchschlagender Erfolg, auch für jene (es sind nur wenige, wie man weiß, aber jede/r zählt), die an ihrem Rechner den Livestream verfolgen. Und es sorgt hin und wieder für Heiterkeit, wenn man von den Besucherbänken aus mitverfolgen kann, dass Abgeordnete ihre Abstimmung korrigieren, weil sie entweder den falschen Knopf gedrückt haben, oder feststellen, dass ihr Abstimmungsverhalten komplett von dem ihrer Fraktion abweicht. Da weiß man zwar nicht, ob es ein falscher Tastendruck oder nachträgliche Anpassung an eine im Vorfeld (hoffentlich ausdiskutierte) Fraktionsdisziplin ist, auf jeden Fall aber ist es weitaus schöner als zu Zeiten, da erhobene Stimmkarten mühsam ausgezählt werden mussten.
So hat also auch in der BVV Berlin Mitte das 21. Jahrhundert Einzug gehalten.
Wenn es nun noch so wäre, dass für jene, die der Tagung vor dem Rechner oder im Saal folgen, das, was da beraten, abgestimmt und diskutiert wird, auch ohne eine Tagungsmappe auf dem Schoß oder Desktop nachvollziehbar wäre, ließe sich feiern. So aber ist es oft mühsam, zu verstehen, worüber da gesprochen wird. Die vielen Abkürzungen und Sprachungetüme machen es nicht einfach. Eine kleine Abhilfe könnte sein, wenn die jeweils besprochene Drucksache ebenfalls an die große Wand hinter dem Präsidium gebeamt würde – ließe sich vielleicht einfach bewerkstelligen und dächte einmal mehr jene mit, die sich als Bürgerin oder Bürger für die Arbeit ihres Parlamentes interessieren.
Ein Bericht über die Ergebnisse und Debatten der BVV ist wie immer hier auf der Webseite der Linksfraktion zu finden und die gut zusammengefassten Inhalte (Danke an den Fraktionsgeschäftsführer, Andreas Böttger) sollen hier deshalb nicht gedoppelt werden. Ein Beschluss aber vielleicht doch, denn der ist ebenfalls Zukunft:
Die BVV hat den Klimanotstand anerkannt und fordert das Bezirksamt auf, dies ebenfalls zu tun. Damit wird anerkannt, dass die Eindämmung der Klimakrise in der bezirklichen Politik und das Erreichen von Klimaneutralität bis 2035 nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und Bezirksebene Priorität hat. „Klimagerechtigkeit, ökologische und soziale Gerechtigkeit, bilden eine untrennbare Einheit und sind die zentrale Herausforderung der Menschheit“, heißt es auf der Webseite der Linksfraktion.
Ganz Berlin hatte bereits Ende vergangenen Jahres diesen Schritt getan. Das ist gut, aber nur dann, wenn dem auch ausreichend Taten folgen. Daran wird sich Politik messen lassen und während es vielleicht noch vor wenigen Jahren eher komisch gewirkt hätte, wäre ein Bezirk, oder gar eine kleine Kommune, auf die Idee gekommen, mit der Anerkennung des Notstandes auch klar zu machen, dass sich von nun an auch das eigene Handeln daran orientieren soll und wird, etwas gegen die drohenden Katastrophen zu tun, bzw. sich auf nicht mehr zu verhindernde Veränderungen vorzubereiten und einzustellen, ist dies inzwischen Konsens geworden. Tun müssen alle was. Und das fängt im ganz Kleinen an, wie ein Antrag – in dem Falle der FDP-Fraktion zeigt –, der das Bezirksamt ersucht (in vielen Anträgen wird das Bezirksamt ersucht, was einen großen Gestaltungsspielraum zulässt), in diesem Jahr eine Aufklärungskampagne zur ordnungsgemäßen und umweltschonenden Entsorgung von Zigarettenstummeln durchzuführen. Liebe Leute, werft eure Kippen jetzt schon in die von der BSR so liebevoll beschrifteten und vorgehaltenen Müllbehälter! Drei Viertel der täglich in Deutschland gerauchten, rund 400 Millionen Zigaretten landen auf der Straße und in der Natur. So geht das nicht weiter. Denn eine einzige Kippe versucht laut BUND rund 40 Liter Grundwasser.
Die Linksfraktion hatte den Antrag eingebracht, das Stadtklima durch Entsiegelung von Grünflächen zu verbessern und dafür alle Grünflächen im Bezirk zu erfassen, „die zwar nominal als Grünflächen und Grünanlagen geführt sind, deren Flächen aber zum Teil oder zur Gänze, zum Beispiel durch Beton oder andere Arten, versiegelt sind“ und zu prüfen, ob man diese Flächen entsiegeln kann. Zugleich sollen langfristig weitere Flächen im Bezirk gesucht und gefunden werden, die sich eignen, entsiegelt und dann Grünfläche zu werden. Die Mehrheit der Menschen im Bezirk wird diese Initiative begrüßen, denn Grün sticht Grau und macht die anstrengende Stadt lebenswerter, die Luft besser.
Interessant die Ausführungen des Baustadtrates Ephraim Gothe zu den Planungen und Überlegungen, Standorte für Mobile Unterkünfte für Geflüchtete, sogenannte MUFs, zu finden. Vor allem auch deshalb, weil der Bezirk vorhat, hier sozusagen „gemischtes Wohnen“ zu probieren. Geflüchtete, Studierende, Wohnungslose – es gibt viele „Bedarfsgruppen“ (kein schönes Wort) und in der Folge könnte wirklich integratives Wohnen entstehen. Der Bezirk verfügt über einige Möglichkeiten, was Flächen und mögliche Betreiber anbelangt, so könnte beispielsweise gegenüber der Beuth-Hochschule, in der es gerade hoch hergeht, ob der Diskussion über eine Umbenennung, eine Unterkunft sowohl für Studierende als auch für Geflüchtete entstehen. Das wäre gut.
Auch interessant die Zahlen über die Einnahmen des Bezirkes aus Baugenehmigungen (wer bauen will und dafür eine Genehmigung einholt, zahlt je nach Größe des Bauprojektes Geld, das dann den Bezirkshaushalt einfließt), die Stadtrat Gothe vortrug. Waren es im Jahr 2016 noch rund 5,3 Millionen Euro, sind es im vergangenen Jahr bereits 19 Millionen Euro gewesen. Die Bauprojekte sind größer geworden, es ist überhaupt kontinuierlich mehr gebaut worden. An bezahlbarem Wohnraum und Gewerberaum mangelt es trotzdem. Denn immerhin: Im Bezirk Berlin Mitte werden jährlich 250 Millionen Euro an rund 40.000 Bedarfsgemeinschaften als Kosten zur Unterkunft bezahlt. All diese Menschen und noch viel mehr, die nicht zum Amt gehen, weil sie keine Ansprüche haben oder sich schämen, aber trotzdem am Rande existenzieller Not leben, brauchen Wohnungen, die sie mit ihren niedrigen Einkommen bezahlen können.
Wenn der Mietendeckel kommt, wird sich daran sicher einiges zum Besseren wenden.
Kathrin Gerlof – Mitarbeiterin Carola Bluhm